Thematischer Gegenstand:
vorgestellt werden die Merkmale einer technischen Innovation für Segelboote und es soll zu einer Diskussion darüber eingeladen werden:
behandelt wird in diesem Beitrag ein hydraulisch betriebener rotatorischer, in die Schwenkachse integrierter Antrieb für Canting-Kiele;
es soll das Für und Wider der Möglichkeiten/Bedingungen einer praktischen Realisierung argumentiert werden.
Vorbemerkung:
Bei Segelyachten modernen Designs werden Kiele auch fallweise schwenkbar ausgeführt; und zwar (zur Unterstützung der Aufrichtkraft gegen den Winddruck in den Segeln) quer zur Längsachse des Schiffes beweglich.
Aus dem englisch/amerikanischen Sprachraum leitet sich für diese Bauweise die Bezeichnung „CANTING-Kiel“ ab. Da diese eindeutiger ist, als die im deutschen Sprachraum noch nicht gefestigte Terminologie (mit dem mehrdeutigen Ausdruck ‚Schwenk-Kiel‘ oder der Bezeichnung ‚Neige-Kiel‘), wird dieser Anglizismus hier aufgegriffen.
Allgemeine Beschreibung der Rahmenbedingungen
Der Kiel eines Segelbootes hat bekanntlich die folgenden Aufgaben:
-
einerseits soll er, gegen den Winddruck in den Segeln, im Wasser unterhalb des Rumpfes eine Lateralfläche bildend, die Abdrift vermeiden, bzw. aus der seitlich gerichteten Windkraft vorwärts gerichtete Schubkraft erzeugen;
- andererseits ist er (als unter dem Rumpf angebrachter Ballast) dazu vorgesehen, ein aufrichtendes Moment (der Schwerkraft) gegen die Seitenkippkraft des Windes darzustellen, d. h. die Krängung des Bootes zu mindern – was sowohl die projizierte Segelfläche als auch die Lateralfläche größer zu erhalten hilft, als sie (infolge von Seitenneigung von Rumpf und mithin auch Mast und Kiel) sich bei zunehmender Krängung anderenfalls einstellten.
Man hat nun im neuzeitlichen Design für Rennyachten als überwiegend wertvoll erachtet, die dem Vortrieb dienende „Angriffsfläche“ für die Windenergie möglichst ungeschmälert zu erhalten, d. h. also, dem letztgenannten Zeck des Kiels, der Erzeugung von aufrichtendem Moment mittels seiner Masse, Priorität einzuräumen.
Um diese Wirkung zu maximieren, lenkt man den Kiel (um die Längsachse des Schiffes drehbar) auf Kursen, die ein seitliches Einfallen des Windes bedingen, <seglerisch ausgedrückt: bei Kursen „am Wind“,> seitlich aus – und zwar nach Luv, in die Richtung, aus der der Wind einfällt.
Die dazu aufzuwendenden Kräfte sind beachtlich, denn Rennyachten haben tief gehende Kiele, deren Schwerpunkt auch möglichst tief angesiedelt ist, was durch sogenannte ‚Kielbomben’ aus Schwermetall dargestellt wird. Darüber hinaus ist die Bewegung durch den Widerstand des Wassers erschwert, bzw. ist gegen die Wasserströmung (z. B. auch Wirbel von Wellen) der Kiel in seiner jeweiligen Position zu halten.
Die dazu bis dato fast ausschließlich realisierte Bauform von Canting-Kielen bewirkt das Schwenken mittels hydraulischer Zylinder, die seitlich an einen Stummel des Kieles (einen kurzen, aber hinlänglich ausgebildeten Hebelarm) oberhalb der Drehachse angreifen – und welche ihrerseits zwangsläufig, wenngleich so tief wie möglich, innerhalb des Rumpfes angeordnet sein müssen.
Mit dieser Ausführungsform stellen sich zugleich eine Reihe von Problemen:
Diese sind einerseits bedingt dadurch, dass die über die Schwenkeinrichtung in den Kiel einzuleitenden Kräfte abgefangen werden müssen (was regelmäßig ein Gerüst als Stützrahmen erfordert, das viel Bauraum innerhalb des Rumpfes beansprucht), und andererseits dadurch, dass der unvermeidbare, unterhalb der Drehachse zu belassende Durchbruch des Rumpfes schwer abzudichten ist.
Tatsächlich versucht man auch keine wirkliche Abdichtung, sondern besorgt lediglich ein möglichst formschlüssiges und den Wasserwiderstand minimierendes Verschließen der Rumpflücke durch eine Art von „Schiebeluke“, während man innerhalb des Rumpfes einen „Kasten“ über dem Rumpfdurchbruch baut, der das eindringende Wasser hält (und der im Übrigen so ausgebildet sein muss, dass in seinem Inneren für die Bewegung der Schwenkvorrichtung Raum gelassen ist, während für die durch seine Wände hindurch geführten Bauteile der seitlichen Antriebe jeweils speziell konstruierte Abdichtungen vorzusehen sind).
Der Ansatz der innovativen Lösung:
Zweck der hier vorgestellten Lösung, die der Gegenstand einer internationalen Patentanmeldung ist, ist es, die vorstehend geschilderten Nachteile möglichst zu vermeiden, indem in die Drehachse des Canting-Kiels ein hydraulisch beaufschlagter rotatorischer Antrieb integriert wird.
Da der Kiel nur relativ gerinfügig seitlich verschwenkt werden muss, bot sich an, das Wirkprinzip von (nach dem Stand der Technik als solche bekannten) hydrostatischen Antrieben für begrenzte Drehwinkel einzusetzen. Der Kompaktheit wegen wurde als für den angestrebten Zweck besonders geeignet die Bauform der sogenannten „Steilgewinde-Motore“ angesehen.
Im Unterschied zu den nach dem Stande der Technik bekannten Motorkonstruktionen ist aber, aus den Kriterien der Aufgabenstellung abgeleitet, eine Bauform (konstruktiv) realisiert worden, die sich durch folgende Merkmale auszeichnet:
Die übliche Wirkungsweise ist ‚invertiert’: statt einer Drehwelle, die – sich um ihre Längsachse bewegend – antreibt, sind fixierte Drehmomentstützen vorgesehen, welche in der Symmetrieachse in die Rumpfstruktur – und zwar örtlich dort, wo auch anderenfalls die Aufhängung des schwenkbaren Kiels mit Drehlagern organisiert werden müsste – in geeigneter Weise integriert sind.
Auf diesen (die sinnvollerweise mit Rücksicht auf die Montagemöglichkeit trennbar ausgeführt werden) sind die Drehlager, welche in die Struktur des Kieles intregriert sind, angeordnet.
Die Stützen ragen in den Körper des Kieles hinein und sind an ihren Enden mit Steilgewinden versehen. Außerdem wird durch sie hindurch das hydraulische Medium in den Kiel geführt (durch beidseitig je eine axiale Bohrung).
Mit den Steilgewinden auf den beiden Stützen kämmen Innengewinde, die beidseitig innerhalb eines Doppelkolbens angeordnet sind, der zwei getrennte Arbeitsräume für das hydraulische Medium bildet und der seinerseits in einer zylindrisch ausgebildeten ‚Bohrung‘ des Kiels sich bewegen kann, in der er auch abgedichtet ist und außerdem (wiederum über eine Steilgewindepaarung) ‚abgestützt‘ wird.
Bei Steigerung des Druckes in einer der beiden Hydraulikleitungen kommt es zu einer Ausweichreaktion des Doppelkolbens, die zwangsläufig nicht nur dessen Verlagerung in Richtung der Achse der zylindrischen Bohrung, sondern zugleich eine durch die formschlüssige Verbindung mit den Steilgewinden aufgeprägte Drehung bewirkt.
Dabei findet in Folge des Verhältnisses der Gewindesteigungen eine Übersetzung der hydrostatischen Druckkraft in ein hohes Drehmoment statt, während das Steilgewinde in der umgekehrten Kraftrichtung sehr gut stützt.
Sperrt man die hydraulischen Leitungen, wird also der Kolben „gehalten“, so werden auch die (aus den auf den Kiel einwirkenden Kräften resultierenden) generatorisch wirkenden Momente in Schwenkrichtung gut gehalten, ohne eine übermäßige Drucksteigerung zu bewirken.
Besonderheiten in der Anwendungsumgebung:
Wasser, insbesondere salziges Meerwasser, gebietet eine Rücksichtnahme auf das Risiko der Korrosion. (Auch dieser erfindungsgemäße Antrieb wird ‚eingehaust’, also in einem – aber erheblich kleiner und wesentlich einfacher auszubildenden – „Wasserkasten“ untergebracht).
Da jedoch lediglich die frei liegenden Abschnitte der beiden Drehmomentstützen gegen Korrosion geschützt werden müssen und da nur zwei einfache Abdichtungen (an den beiden Stellen, an denen sich relativ zu den fixierten Stützen der Kiel drehend bewegt) vorgesehen werden müssen, ist ein wesentlicher Vorteil der Innovation – der Integration des Antriebs in die Schwenkachse des Canting-Kiels – deren Kompaktheit, die auch zur Folge hat, dass alle wesentlichen Elemente mit dem Wasser nicht mehr in Berührung kommen können.
Maßgeblicher weiterer Vorteil ist, dass kein Durchbruch durch den Rumpf mehr nötig ist. Er kann vielmehr so ausgebildet werden, dass er (mit einem Rezess, der quasi den „Wasserkasten“ darstellt,) den Kiel und dessen Aufhängung – in welche die hydraulischen Leitungen integriert sind – vollständig umschließt.
Die Anforderung der maximalen Ausnutzung technischer Möglichkeiten im Kontext des Yachtsports, insbesondere im Hinblick auf Verdrängung (Leichtbau), gebietet eine Vermeidung unnötigen Gewichts, wenngleich Rücksicht auf die Bauteilfestigkeit eindeutig Priorität haben muss.
Der Drehantrieb ist nicht so leichtgewichtig zu bauen, wie man Hydraulikzylinder unter Nutzung heutiger Werkstofftechnologien herstellen kann. Jedoch bedarf er nicht
– wenngleich natürlich auch seine Reaktionskräfte in die Struktur des Rumpfes eingeleitet werden müssen – eines zusätzlichen Gerüstes zum Abfangen der hydrostatischen Kräfte, da diese innerhalb des Drehantriebes aufgenommen werden.
Sein Schwerpunkt liegt erheblich günstiger, faktisch so tief wie dies innerhalb der Rumpfform maximal möglich ist. Und bei seiner vorteilhaften Bauweise können die Drehlager, welche die Masse und die vom Kiel vermittelten dynamischen Kräfte gegen den Rumpf abstützen, derartig ausgebildet werden, dass sie zugleich die antriebsinternen Kräfte aufzunehmen geeignet sind.
Bei den bis dato üblichen translatorischen Antrieben müssen – vor allem mit Rücksicht auf deren höher im Rumpf liegende Schwerpunkte – sehr hohe Kosten für Maßnahmen der Gewichtsreduzierung in Kauf genommen werden (Ausbildung der Bauteile in Titan und Kohlefaserverbundmaterial).
Weitere prinzipielle Vorteile des innovativen Antriebs
Der seitliche Zylinderantrieb hat bislang ausgeschlossen, dass ein Canting-Kiel zugleich als Hub-Kiel gebaut werden konnte, während ein mit dem neuartigen Schwenkantrieb ausgestatteter Kiel in eine Hubvorrichtung eingehängt werden kann – wobei natürlich für die Drehmomentstützen besondere Kupplungen vorgesehen werden müssen.
Der hydraulische Antrieb eines Canting-Kiels bedarf der Steuerung bzw. Regelung. Eine solche zu organisieren ist bei dem innovativen Drehantrieb dadurch bedeutend vereinfacht, dass dessen interner Aufbau eine vollständige Symmetrie der hydrostatischen Verhältnisse und mithin auch seines Verhaltens in den verschiedenen Quadranten seiner Betriebszustände zur Folge hat.
Es wird – wenngleich dies kein k.o.-Kriterium ist – vorteilhaft sein, wenn bei der Materialauswahl berücksichtigt wird, dass die Triebwerksteile des rotatorischen Schwenktriebs mit Wasser als hydraulischem Medium betrieben werden könnten.